Die Weltwirtschaft in der Zwickmühle

Die Weltwirtschaft in der Zwickmühle
Dani Rodrik: "Das Globalisierungsparadox - Die Demokratie und
die Zukunft der Weltwirtschaft", Verlag C. H. Beck, München
2011, 416 Seiten
Freier Welthandel und unbegrenzte Mobilität von Kapital
und Arbeit sind mit unseren Vorstellungen von Demokratie und
Nationalstaat nicht vereinbar. Zu dieser Einsicht kommt der
Harvard-Ökonom Dani Rodrik. Vor der Finanzkrise gehörte er
noch zu den eindeutigen Befürwortern der Globalisierung.
einen schweren Stand in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Sie wurden
als Außenseiter abgetan oder gar als linke Spinner. Dieses Urteil
hat sich seit der Finanzkrise geändert. Auch der bekannte US-Ökonom
Dani Rodrik gesteht auf den ersten Seiten seines neuen Buches, er
habe die Rolle der internationalen Finanzmärkte falsch eingeschätzt.
Lange ging der Harvard-Professor davon aus, dass der ungehinderte
Kapitalfluss rund um den Globus den Unternehmern helfen würde, Geld
für Investitionen aufzutreiben und das entsprechende Risiko an
"gewiefte Investoren" abzutreten. Nach dem weltweiten Finanzkollaps
im Jahr 2008 kommt er nun zu dem Schluss: "Die finanzielle
Globalisierung führte unter dem Strich zu mehr Instabilität als zu
mehr Investitionen und höheren Wachstumsraten." In vielen Ländern
habe sie die Ungleichheit und Unsicherheit vertieft, anstatt wie
versprochen den Wohlstand aller Menschen zu mehren.
Damit bekennt sich Rodrik eindeutig zu seinem Irrtum. Das macht ihn
glaubwürdig. Zumal er weiterhin die Vorteile betont, die
Globalisierung bringen kann, wenn sie bestimmten Spielregeln
unterworfen wird. Vor allem sucht er einen Ausweg aus dem Dilemma,
dass Finanzinvestoren ihr Kapital per Knopfdruck in Sekundenschnelle
um den Globus schicken, während ihre Aufseher in der Regel an
nationalen Grenzen Halt machen.
Eine einfache Lösung hat er nicht zu bieten. Dafür aber eine klare
Analyse, die ihm als Entscheidungshilfe dient. Rodrik sieht die
Weltwirtschaft in einer politischen Zwickmühle: Freier Handel und
unbegrenzte Mobilität von Kapital und Arbeit sind mit unseren
Vorstellungen von Demokratie und Nationalstaat nicht vereinbar.
Diesen Widerspruch bezeichnet er als Globalisierungsparadox und
kommt zu dem Schluss, dass eines auf der Strecke bleiben muss:
entweder die Demokratie, der Nationalstaat oder die Weltwirtschaft.
Rodrik plädiert dafür, dass die Globalisierung hinten an steht.
Jedes Land müsse die Chance auf einen eigenen Entwicklungsweg haben.
Es soll sich entscheiden können für eine selbst gewählte Kombination
von Marktöffnung, Produkt-, Arbeitsstandards und sozialem Netz. Die
Freiheit der Investoren zählt für ihn weniger als das demokratische
Selbstbestimmungsrecht der Nationen.
Globalisierungskritiker finden in diesem Buch nicht viel Neues. Es
richtet sich vielmehr an jene, deren Glauben an die
Selbstheilungskräfte des Marktes durch die Finanzkrise erschüttert
wurde. Sie finden zahlreiche Fakten und Argumente, die ihre
Verunsicherung zur Gewissheit werden lässt.
Besprochen von Uli Müller
Dani Rodrik: Das Globalisierungsparadox -
Die Demokratie und die Zukunft der Weltwirtschaft
Aus dem Englischen von Karl Heinz Siber
Verlag C. H. Beck, München 2011
416 Seiten, 24,95 Euro
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/1419687/
Bürgerforum - 3. Nov, 08:19